Die Probleme mit Russland und wie sich erklären lassen
Johannes Voswinkel |
Wladimir Putin hat im März 2018 die russische Präsidentschaftswahl mit einem Rekordergebnis zum vierten Mal gewonnen. Sogar in den bislang präsidentenkritischen Großstädten konnte er deutlich hinzugewinnen. Bis auf Weiteres scheint das System Putin alternativlos. Die Hintergründe erläutert Johannes Voswinkel, der schon 20 Jahre in Russland arbeitet und seit 2015 das Büro der Heinrich Böll Stiftung in Moskau leitet.
Trotz aller berechtigten Kritik an der Skrupellosigkeit, mit der die Kremlführung durch die Unterdrückung Andersdenkender und durch ihre Propaganda diese Alternativlosigkeit herbeigeführt hat: Für viele russische Bürger ist Putin populär. Aus ihrer Sicht hat er das Land von Chaos, Kriminalität und sozialer Verelendung der Jelzin-Ära in den 90er Jahren befreit.
Putin, so die offizielle Legende, hat einer Mehrheit zu einem akzeptablen Wohlstand verholfen, die Anschlussfähigkeit Russlands an einen westlichen Lebensstil erhalten und das Land in den Kreis der globalen Mächte zurückgeführt. Diesen Fortschritt wollen die Menschen nicht in Frage gestellt sehen. Zumal ihnen die Weltfinanzkrise und die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Europäischen Union belegen, dass an die Stelle des vermeintlichen Endes der Ideologien und der Geschichte heute ein Wettbewerb neu geformter ideologischer und wirtschaftlicher Modelle getreten ist.
In diesem Wettbewerb präsentiert sich Russland als selbstbewusster, aber auch skrupelloser Akteur. Allerdings hat die Fähigkeit der EU, nach der Annexion der Krim Russland gegenüber geschlossen aufzutreten, in Moskau, das auf die Kraft bilateraler Beziehungen setzt, überrascht und Anerkennung gefunden. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten wiederum sehen Russland als eine konkurrierende globale Ordnungsmacht an, mit der man im Gespräch bleiben muss.
Wie sich die Rückkehr Russlands in die Weltpolitik weiter innenpolitisch auswirken wird, bleibt unklar. Russland ist ein autoritäres, aber kein durchgängig repressives System. Wo Entfaltungsräume geschlossen werden, erfinden die Menschen mit großer Fantasie oft neue und widmen sich einer lokalen Geschichtsforschung fern der offiziellen Verlautbarungen oder gründen sozial orientierte Unternehmen.
Die Jugendproteste der vergangenen anderthalb Jahre zeigen, dass es eine junge Generation gibt, die keine Angst mehr hat, die bereit ist, in der Gesellschaft aktiv zu werden und gar persönlich, beruflich, politisch etwas zu riskieren. Aber es ist eine zahlenmäßig kleine Gruppe innerhalb der russischen Gesellschaft, und eine politische Kraft, die diese Proteste und die inneren Widersprüche des Landes zu politischen Alternativen zuspitzen könnte, ist nicht in Sicht.
Glossar
- Stern (Zeitschrift) – Wikipedia
- Boris Nikolajewitsch Jelzin – Wikipedia
- Wladimir Wladimirowitsch Putin – Wikipedia
- Michail Borissowitsch Chodorkowski – Wikipedia
- Gleb Olegowitsch Pawlowski – Wikipedia
- Alexei Anatoljewitsch Nawalny – Wikipedia
- Boris Jefimowitsch Nemzow – Wikipedia
- Wladimir Wolfowitsch Schirinowski – Wikipedia
- Wiktor Wladimirowitsch Jerofejew – Wikipedia
- Ende der Geschichte – Wikipedia
- Krimkrise – Wikipedia
- Gesellschaftliche Organisationen als „ausländische Agenten“ in Russland – Wikipedia
- For Free Elections in Europe - European Platform for Democratic Elections
- Islamischer Staat (Organisation) – Wikipedia
This work is licensed under a Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Germany License 557068
Puh… Ich bin hier wirklich hin und her gerissen.
Ich fand das eine vergleichsweise gute und auch erfrischend nüchterne Analyse der russischen Politik. Dass „Demokratur“ eine neue Regierungsform ist, die deutlich unauffälliger ihre Macht ausübt und Russland eben keine klassische Diktatur ist, bekommt man viel zu selten so gut und detailliert erklärt. Da fällt einem dann schnell auf, dass es so was auch in Weißrussland gibt und auch Polen derzeit in diese Richtung schwankt. In meinen Augen ist so etwas auf lange Sicht noch viel gefährlicher, als eine klassische Diktatur. Dieser Blick fehlt mir z.B. im Heute Journal und der Tagesschau vollständig.
Dann kam jedoch der Zeitstempel 1:28:30 und auf einmal fiel der ganze Podcast vollständig in sich zusammen. Tim beschreibt kurz, dass er großes wirtschaftliches Potential in Russland sieht und fragt woran es liegt, dass es Russland gerade so schlecht geht.
Die Frage wurde von Tim sehr offen gestellt, sodass Herr Voswinkel frei entscheiden konnte, wo genau er seine Antwort ansetzt. Die Frage hat Herrn Voswinkel also nicht dazu genötigt auf eine bestimmte Weise zu antworten. Um so mehr war ich (nach dem bis dahin sehr guten Gespräch) vollkommen schockiert, dass Herr Voswinkel nicht mit einer einzigen Silbe auf die westlichen Sanktionen zu sprechen kam, die Russland und die Bevölkerung massiv zusetzen. Ja klar, das ist ja genau der Zweck von Sanktionen und dass Russland hart daran knabbert somit quasi die Erfolgsbescheinigung, dass die Sanktionen wirken. Diesen sehr wesentlichen Faktor jedoch vollkommen zu unterschlagen kann man jedoch beim besten willen nur als Propaganda bezeichnen.
Das Trauerspiel ging dann bei den Themen Syrien, Regime Change, etc. weitestgehend genauso schlimm weiter, aber das würde zu weit führen.
Ihr dürft mir gerne widersprechen, aber Herr Voswinkel wirkte ab der Zeitmarke 1:28:30 wie ausgewechselt für mich und ich hatte auf einmal den Eindruck ich höre einem Spin-Doktor der Atlantikbrücke zu. Das ist sehr schade, da es die bis dahin vermittelten Inhalte automatisch ebenfalls in Frage stellt, obwohl diese (in meinen Augen) sehr richtig waren.
(PS: Ich lasse hier absichtlich die Frage raus, ob wir Russland weiter unter Druck setzen sollen oder ob wir uns mit ihnen vertragen sollen, da das eine komplett andere Diskussion ist. Wer mir also nun Pro- oder Anti-Russland Trollen unterstellen will, kann es direkt sein lassen.)
Ich probiere es noch einmal. Ich kann ehrlich gesagt nicht fassen, dass mein Comment als SPAM oder Trolling oder was auch immer geblockt wurde und nun auch meine Kommentare bei den anderen Metaebene-Podcasts nicht mehr durch kommen. Lest bitte noch einmal meinen Text und überlegt, ob das wirklich verwerflich ist, was ich geschrieben habe. Ich will es noch nicht so recht glauben, dass das wirklich gerade passiert. Also noch einmal, in der Hoffnung, dass mein Kommentar durch kommt:
Puh… Ich bin hier wirklich hin und her gerissen.
Ich fand das eine vergleichsweise gute und auch erfrischend nüchterne Analyse der russischen Politik. Dass „Demokratur“ eine neue Regierungsform ist, die deutlich unauffälliger ihre Macht ausübt und Russland eben keine klassische Diktatur ist, bekommt man viel zu selten so gut und detailliert erklärt. Da fällt einem dann schnell auf, dass es so was auch in Weißrussland gibt und auch Polen derzeit in diese Richtung schwankt. In meinen Augen ist so etwas auf lange Sicht noch viel gefährlicher, als eine klassische Diktatur. Dieser Blick fehlt mir z.B. im Heute Journal und der Tagesschau vollständig.
Dann kam jedoch der Zeitstempel 1:28:30 und auf einmal fiel der ganze Podcast vollständig in sich zusammen. Tim beschreibt kurz, dass er großes wirtschaftliches Potential in Russland sieht und fragt woran es liegt, dass es Russland gerade so schlecht geht.
Die Frage wurde von Tim sehr offen gestellt, sodass Herr Voswinkel frei entscheiden konnte, wo genau er seine Antwort ansetzt. Die Frage hat Herrn Voswinkel also nicht dazu genötigt auf eine bestimmte Weise zu antworten. Um so mehr war ich (nach dem bis dahin sehr guten Gespräch) vollkommen schockiert, dass Herr Voswinkel nicht mit einer einzigen Silbe auf die westlichen Sanktionen zu sprechen kam, die Russland und die Bevölkerung massiv zusetzen. Ja klar, das ist ja genau der Zweck von Sanktionen und dass Russland hart daran knabbert somit quasi die Erfolgsbescheinigung, dass die Sanktionen wirken. Diesen sehr wesentlichen Faktor jedoch vollkommen zu unterschlagen kann man jedoch beim besten willen nur als Propaganda bezeichnen.
Das Trauerspiel ging dann bei den Themen Syrien, Regime Change, etc. weitestgehend genauso schlimm weiter, aber das würde zu weit führen.
Ihr dürft mir gerne widersprechen, aber Herr Voswinkel wirkte ab der Zeitmarke 1:28:30 wie ausgewechselt für mich und ich hatte auf einmal den Eindruck ich höre einem Spin-Doktor der Atlantikbrücke zu. Das ist sehr schade, da es die bis dahin vermittelten Inhalte automatisch ebenfalls in Frage stellt, obwohl diese (in meinen Augen) sehr richtig waren.
(PS: Ich lasse hier absichtlich die Frage raus, ob wir Russland weiter unter Druck setzen sollen oder ob wir uns mit ihnen vertragen sollen, da das eine komplett andere Diskussion ist. Wer mir also nun Pro- oder Anti-Russland Trollen unterstellen will, kann es direkt sein lassen.)