FE014 Die Türkei und Europa

Ein ausführlicher Blick auf die Geschichte und Gegenwart der Türkei und ihr Verhältnis zu Europa

Devrimsel Deniz Nergiz Devrimsel Deniz Nergiz
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Während die Türkei nicht nur aus zentraleuropäischer Perspektive lange ein Schattendasein führte wurde die Welt hellhörig als sich durch Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei AKP ein neuer Politikstil und Wirtschaftskurs entwickelte, der zunächst durch seine Dynamik und zuletzt durch seine politische Repression auffiel. In der aktuellen Situation steht die Türkei im Syrienkonflikt zwischen allen Fronten und versucht nach innen wie nach außen seine Rolle zu finden. Wir sprechen mit der Politologin und Soziologin Dr. Devrimsel Deniz Nergiz über die Geschichte der Türkei, ihre rasante Entwicklung der letzten 15 Jahre und die schwierigen Herausforderungen vor dem das Land jetzt steht.

5 Gedanken zu „FE014 Die Türkei und Europa

  1. Sehr informativ und ausführlich – vielen Dank!
    Das einzige, was mir gefehlt hatte, war das Thema Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern.
    Hat vielleicht auf den ersten Blick kein EU-Thema, aber so ist es nicht. Als Deutschland dieses Jahr kurz davor war, den Genozid anzuerkennen, gab es starken Protest von der türkischen Regierung und das Thema war vorbei.
    Als Obama noch Senator war, warb er auch um die Stimmen der großen armenischen Diaspora in den USA mit dem Versprechen, den Genozid anzuerkennen. Das war dann auch vorbei, nachdem die Türkei klar machte, dass man zu allem bereit war, um die USA von der Anerkennung abzuhalten.

    • Der Genozid an den Armeniern ist dann eher Symbolpolitik auf beiden Seiten – die Franzosen machen ein großes Thema daraus, um die armenischen Wähler zu gewinnen, die Türken machen ein großes Thema daraus um die nationalistischen Wähler bei der Stange zu halten.

      Im Endeffekt muss der Prozess von Innen kommen. Von Außen auf die Anerkennung zu bestehen ist dann doch etwas scheinheilig – vor allem von der Perspektive der großen europäischen Kolonialmächte wie Frankreich.

  2. Sehr guter Podcast!

    Mir haben zwei Themen gefehlt: die Rolle der unterdrückten Medien und die zweigeteilte türkische Gesellschaft.

    Ich verbringe sehr viel Zeit in der Türkei und habe Familie und viele Freunde vor Ort. Was mir als außenstehendem immer wieder auffällt ist die extreme Teilung der Gesellschaft. Auf der einen Seite gibt es die komplett verwestlichten Menschen vor allem in Izmir, Beşiktaş oder Kadıköy, wo Frauen selbstverständlich Karriere machen, die ausländische und soziale Medien konsumieren, die über Erdoğans Korruptionsaffären Bescheid wissen und die mit einer gewissen Verwunderung auf die AKP Wähler sehen. Auf der anderen Seite gibt es die Menschen in anatolischen Dörfern oder Istanbuler Stadtteilen wie Dolapdere oder Kasımpaşa, die religiöse und traditionelle Wertvorstellungen haben, kein Englisch verstehen und das Internet nicht benutzen, Erdoğan als großen Helden betrachten und die Gezi Proteste für eine ausländische Übertreibung wahrnehmen.

    Problematisch finde ich, dass sich beide Gruppen gegenseitig kaum wahrnehmen oder verstehen. Die Verwestlichung und das Wirtschaftswachstum in der Türkei hat während der längsten Zeit leider nicht alle Türken betroffen, sondern eben hauptsächlich den Westen. Die Kemalistischen Eliten haben sich wenig um die Kleinbauern, Schuhputzer oder Friseure gekümmert, daher ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass diese einen der ihren feiern, der es zu etwas gebracht hat. Und der sich das erste mal auch um Unternehmer in Ost- und Zentralanatolien kümmert (und den Westen vernachlässigt).

    Dass die Medien verschweigen, dass dieser Champion der Armen inzwischen selbst steinreich ist, dass seine Söhne Geld Kofferweise in die Schweiz tragen und dass er andersdenkende Journalisten einsperrt (nur übertroffen von China), hilft dann, dieses Bild zu zementieren. Dazu kommt eine gewisse Resignation eines Landes, das eine lange Korruptionserfahrung hat – „die anderen würden es doch auch machen“ ist die Ausrede für Erdoğans Wähler im Mittelstand.

    Insgesamt ist es ein deprimierendes Bild, und die Strukturen werden von Tag zu Tag undemokratischer. Die Armeespitze, Justiz und Staatsanwaltschaft sind ersetzt worden, die Medien sind nahezu völlig regierungskonform, und die Opposition hat keine gemeinsame Stimme und keine charismatische Führungsfigur (Kiliçdaroğlu gilt wahlweise als amerikanische Marionette oder als liebe, aber nutzlose Großvaterfigur, und Demirtaş ist zu sehr der ehemalige Schützling von Öcalan um für die Kemalisten wählbar zu sein). Meine Freunde emigrieren nach Europa oder Amerika, und das ist auch die genelle Stimmung an den Universitäten. Daher kann ich Tims Optimismus leider nicht teilen…

  3. Es kam in der Sendung auf dass in der Türkei die Opposition und kritische Stimmen immer stärker unterdrückt und zum schweigen gebracht werden.
    Daher meine Frage wird Frau Dr. Devrimsel sich noch in die Türkei begeben, muss sie mit Belästigungen eventuell auch außerhalb der Türkei rechnen muss aufgrund Ihres Beitrages hier ?

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